Glossar

Alle Einträge im Überblick

Ulcus cruris

Lars Koschorrek, Arzt
Was sind Beingeschwüre?
Beingeschwüre (Ulcus cruris) sind schlecht heilende (chronische), tiefe Wunden an Unterschenkeln und Füßen.
Umgangssprachlich spricht man oft von offenen Beinen. Sie entstehen in etwa 80 Prozent der Fälle durch Störungen im venösen Blutkreislauf, vor allem durch Krampfadern (Varizen). Seltener entstehen diese Wunden durch Verengungen der Beinarterien (pAVK).
In Deutschland leiden über eine Million Menschen an einem Ulcus cruris. Die Tendenz ist steigend.


Wie entstehen Beingeschwüre?
Venöse Störungen
Venöse, also durch Venenleiden bedingte Beingeschwüre machen etwa 80 Prozent aller Beingeschwüre aus. Die Beingeschwüre sind Folge einer chronischen Venenschwäche (chronisch venöse Insuffizienz). Häufig ist die Anlage zur Venenschwäche vererbt. Die Venen erweitern und verlängern sich und bilden Krampfadern. Diese Erweiterung bewirkt, dass die Klappen des Venensystems nicht mehr richtig funktionieren (schließen). Dadurch kann Blut zurückfließen und sich in den Venen anstauen. Dieser Stau führt zu einem Ödem (Wasseransammlung im Gewebe) und nach einem längeren Zeitraum zu einer Verhärtung des Bindegewebes (Sklerose). Beide Veränderungen führen zu einer Minderversorgung des Gewebes mit Blut und Nährstoffen vor allem im Bereich der Knöchelinnenseiten und an der Vorderseite des Unterschenkels. Dies kann später zu Beingeschwüren führen.
Blutpfropfen in den tiefen Bein- und Beckenvenen (Thrombose) sind eine weitere Ursache der chronisch venösen Insuffizienz. Die Erweiterung der Venen wird auch postthrombotisches Syndrom genannt.

Arterielle Störungen
Seltener entstehen Beingeschwüre durch Störungen im arteriellen Blutkreislauf. Die Arterien transportieren das Blut vom Herzen zu den Geweben des Körpers, um sie mit Sauerstoff und Nährstoffen zu versorgen. Ist die Durchblutung erheblich geschwächt, z. B. aufgrund von stark ausgeprägten Arterienverkalkungen (Arteriosklerose), können sich Beingeschwüre entwickeln.
Risikofaktoren für arterielle Beingeschwüre sind Arterienverkalkungen der Beine z. B. durch

Zuckerkrankheit:
Bei Zuckerkranken (Diabetikern) können diabetische Beingeschwüre entstehen. Häufig kommt es zu Infektionen dieser Beingeschwüre.
Rauchen
Erhöhten Blutdruck (Hypertonie)
Hohe Blutfettwerte (Hyperlipidämie)
Wie bemerkt man Beingeschwüre?
Venöse Beingeschwüre
kommen meist im Bereich der Knöchel vor, besonders an der Innenseite des Beines
sind oft feuchte und nässende Wunden, die sich oftmals auch mit Bakterien infizieren und dann faulig riechen
verursachen in der Regel ein Spannungsgefühl und keine Schmerzen
entwickeln sich häufig auf der Basis eines geschwollenen und chronisch entzündeten Beines (Stauungsekzem). Durch Auswandern von roten Blutkörperchen und Ablagerung von deren Abbauprodukten (Hämosiderin) verfärbt sich die Haut bräunlich.
Arterielle Beingeschwüre
kommen meist an Füßen, Zehen und Fersen vor
gehen mit kalten und blassen Füßen und Beinen einher
sind in der Regel schmerzhaft, besonders bei körperlicher Bewegung und Hochlagerung des Beines
Wie werden Beingeschwüre diagnostiziert?
Ein Beingeschwür zu diagnostizieren ist für den Arzt nicht schwer. Allerdings ist für die Therapie wichtig, die auslösende Ursache zu kennen.
In der Regel reicht dem erfahrenen Arzt eine eingehende Begutachtung (Inspektion) des Geschwürs und Erfragen der Krankengeschichte (Anamnese) aus, um die Ursache eines Beingeschwürs zu beurteilen.
Mittels Dopplersonographie lassen sich sowohl die venösen als auch die arteriellen Durchblutungsverhältnisse darstellen. Eine Kontrastmittel-Röntgenuntersuchung der Venen (Phlebographie) zeigt eventuell vorhandene Blutgerinnsel (Thrombosen) auf. Eine Blutuntersuchung deckt eine eventuell vorhandene Zuckerkrankheit oder eine Gerinnungsstörung auf. In seltenen Fällen kann ein Spinaliom (eine Form des Hautkrebses) die Ursache eines Beingeschwüres sein. Dies kann mit Hilfe einer Gewebeprobe (Biopsie) ausgeschlossen werden.


Wie können Beingeschwüre behandelt werden?
Venöse Beingeschwüre
Komprimierende Verbände:
Eine konsequente Durchführung dieser Behandlung ist die wichtigste Maßnahme. Viele venöse Beingeschwüre heilen unter einer korrekt durchgeführten Kompressionsmaßnahme ab!
Reinigung des Geschwürs:
Dies erfolgt entweder fibrinolytisch, d. h. mit bestimmten Salben, die fest haftende Beläge auflösen können. Eine andere Methode ist die Abtragung der Beläge mit einem scharfen Löffel (Cürretage).
Umschläge mit antiseptischen Wirkstoffen, d. h. Substanzen, die die Wunde keimfrei machen oder bei stark nässenden Wunden feuchte Umschläge mit Kochsalzlösung.
Antibiotika bei massiver bakterieller Ansiedlung, auch in Form von Infusionen
Bei auf das Geschwür zuführenden Krampfadern hilft eine operative Entfernung oder eine Sklerosierungstherapie (Verödung) dieser Krampfadern.
Häufig besteht zusätzlich ein allergisches Kontaktekzem. Viele Geschwüre werden mit verschiedenen Salben vorbehandelt, auf die der Körper mit der Zeit allergisch reagieren kann. In diesen Fällen kann eine lokale Kortison-Therapie sinnvoll sein.
Eine etwas unappetitlich wirkende, aber sehr effektive Behandlung ist eine so genannte bioenzymatische Wundreinigung mit Fliegenlarven. Hier werden für zwei bis drei Tage 100 bis 200 Fliegenlarven auf das Geschwür aufgetragen. Die Larven ernähren sich in der Zeit von abgestorbenem Gewebe, das sie zuvor durch ihren Speichel angedaut haben. Lebendes Gewebe wird von den Larven nicht angegriffen.
Arterielle Beingeschwüre
Bei arteriellen Beingeschwüren kann eine chirurgische Behandlung in Form einer Bypass-Operation angebracht sein. Unter einem Bypass versteht man die Überbrückung eines verengten bzw. verschlossenen Gefäßabschnittes mit Hilfe einer Arterie oder Vene. Einige Geschwüre können durch eine operative Hautverpflanzung schneller zur Abheilung gebracht werden.
Oberstes Ziel der Geschwürbehandlung muss allerdings sein, alle Faktoren zu beseitigen, die die Entwicklung des Geschwürs verursacht haben und die Heilung behindern.


Was können sie selbst tun?
Venöse Beingeschwüre
Tragen sie angepasste Kompressionsstrümpfe. Kompression ist die wichtigste Maßnahme!
Gehen und bewegen sie sich regelmäßig, damit sie die Wadenmuskeln aktivieren.
Sitzen sie nicht mit übereinander geschlagenen Beinen, das hemmt die Venenpumpe.
Sorgen sie bei sitzender oder stehender Tätigkeit dafür, dass sie ihre Arbeitshaltung regelmäßig ändern und sich bewegen.
Wenn sie die Gelegenheit haben, sitzen sie mit (über Herzebene) gelagerten Beinen.
Nehmen sie ab, wenn sie übergwichtig sind.
Arterielle Beingeschwüre
Hören sie auf zu rauchen!
Das ist die wichtigste Maßnahme. Nach dem Motto: Stop smoking, keep walking!
Bewegen sie sich auch wenn sie sitzen. Machen sie zuerst Kreisbewegungen mit den Füßen und bewegen sie die Fersen auf und ab. Bewegen sie sich bis Schmerzen auftreten, machen sie dann eine Pause. Fahre sie erst mit dem Training fort, wenn sie wieder beschwerdefrei sind.
Nehmen sie ab, wenn sie übergewichtig sind.
Essen sie weniger Fett, dafür mehr Obst und Gemüse.
Untersuchen sie regelmäßig ihre Füße und Unterschenkel auf Farbveränderungen und Wunden. Dies gilt besonders für Zuckerkranke.
Tragen sie nicht zu kleine oder zu große Schuhe. Kaufen sie Schuhe, in denen sich ihre Füße wohlfühlen.
Achten sie bei der Fußpflege (Nägelschneiden) darauf, jede noch so geringe Verletzung zu vermeiden.
Wie ist die Prognose?
Mit der richtigen Behandlung heilen Beingeschwüre meist innerhalb weniger Monate ab.
Leider sind viele ältere Patienten mehreren Risikofaktoren ausgesetzt. In dieser Altersgruppe kann die Heilung eines Beingeschwürs auch mehrere Jahre dauern.
Venöse Beingeschwüre heilen besser als arteriell bedingte. Sie sind so gut wie nie durch eine Amputation bedroht. Allerdings entsteht jedes zweite abgeheilte Geschwür innerhalb eines Jahres wieder. Durch eine konsequente Nachbehandlung, insbesondere die Kompressionstherapie, lässt sich diese Rate verbessern.
Arterielle Beingeschwüre und die "Schaufenster-Krankheit" (Claudicatio intermittens) sind sehr ernste Gefahrensignale, die ohne Behandlung zum schwarzen Brand (Gewebsuntergang) und damit zur Amputation von Zehen, dem Fuß und später dem Bein führen können. Die Gefahr einer Amputation steigt mit dem Ausmaß der Arterienverkalkung der Bein- oder Beckenarterien, sowie mit der Anzahl und Ausprägung von o.g. Risikofaktoren. Bei Patienten mit einem schlecht eingestellten Blutzucker und Bluthochdruck, die dazu noch rauchen, ist eine Amputation wahrscheinlicher.


Quellen
Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie
Braun-Falco: Dermatologie und Venerologie
Herold: Innere Medizin

Redaktion
Dr. med. Katharina Larisch

Zurück