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3.3 Biochirurgisches Débridement

3.3 Biochirurgisches Débridement

Eine Sonderform des mechanischen Débridements ist die sog. Madentherapie (Biologisches Wunddébridement mit Fliegenlarven, Biochirurgie). Die unter sterilen Bedingungen gezüchteten Fliegenlarven (Gattung Lucilia sericata, Goldfliege, „Gefräßige Lucy“) helfen, hartnäckige Nekrosen abzutragen. Die Maden dieser Schmeißfliegenart sind Nekrophagen, d.h. sie ernähren sich ausschließlich von abgestorbenem Gewebe. Die Insekten fressen die Nekrosen und Beläge nicht unmittelbar, sondern verdauen sie mit dem von ihnen abgesonderten Speichelsekret vor. Die im Sekret enthaltenen Enzyme verflüssigen das abgestorbene Gewebe, das dann von den Larven als Nahrung aufgenommen wird.

Das Madensekret enthält antibakteriell wirksame Substanzen und proteolytische Enzyme, und regt das Wachstum körpereigener Fibroblasten und Chondrozyten an:

Schonendes Débridement der Wunde:
Die Maden ernähren sich von nekrotischem Gewebe und Exsudat und entfernen auf diese Art und Weise avitales Gewebe aus der Wunde (Débridement). Die von den Larven abgegebenen Verdauungssäfte enthalten proteolytische Enzyme, die nekrotisches Gewebe debridieren und lebendiges Gewebe unversehrt lassen („extrakorporale Verdauung“).

Abtöten von Keimen (v.a. grampositive):
Durch die Bewegung der Larven wird die Exsudatproduktion angeregt, dadurch kommt es zu einer besseren Durchspülung der Wunde und zum Ausspülen vorhandener Bakterien. In Ihrem Verdauungskanal neutralisieren die Fliegenmaden die Bakterien. Darüberhinaus sondern die Larven Sekrete ab, welche die bakterielle Aktivität hemmen.

Stimulation des Heilungsprozesses:
Das Larvensekret enthält unter anderem auch basische Komponenten, die den pH-Wert der Wunde verändern und damit Wachstumsfaktoren anregen, die Sauerstoffversorgung verbessern und dadurch die Wundheilung fördern.

Die Therapie mit Fliegenmaden wird bereits seit 400 Jahren durchgeführt, verlor aber mit der Entwicklung von Antibiotika und modernen Operationstechniken an Bedeutung. Nicht nur aufgrund antibiotikaresistenter Bakterienstämme kommt diese Möglichkeit des Débridements in den vergangenen Jahren wieder häufiger zum Einsatz. Diese Therapie eignet sich sehr gut für Wunden mit freiliegenden Knochen und Sehnen, wo eine chirurgisches Débridement mit Risiken behaftet wäre. Aber auch bei ausgedehnten Weichteil- und Knocheninfektionen, chronischen Hautgeschwüren (v.a. beim DFS), Dekubitus und Ulcus cruris ist sie ideal. Vorraussetzung für den Einsatz ist eine bereits exsudierende Wunde.

Die Maden gibt es entweder lose als sog. „Freiläufer“ oder im Polyester-Netzbeutel. Pro cm2 Wunde gibt man 2-8 Freiläufer in die Wunde und fixiert sie mit einem sterilen Netzverband auf der Wunde. Für die meisten Patienten und auch für das Fachpersonal ist der sog. BioBag die (psychisch) angenehmere Variante, da so ein Entweichen der Maden verhindert wird. Pro cm2 Wundfläche werden 5-10 Maden im Kunststoffbeutel benötigt. Bei Wunden an Zehen oder Hautfurchen können die Freiläufer mit besseren Ergebnissen aufwarten, ansonsten besteht kaum ein Unterscheid zwischen Freiläufern und BioBags. Die Maden müssen nach 3-4 Tagen gewechselt werden.

Kontraindikationen sind Wunden in der Nähe der Augen, im oberen Gastrointestinaltrakt und den oberen Atemwegen. Auch bei Wunden mit freiliegenden Blutgefäßen, die mit tieferliegenden inneren Organen verbunden sind, bei Patienten mit verminderter Durchblutung sowie malignen Wunden sollten keine Maden eingesetzt werden. Bei Patienten mit bekannter Allergie gegen Fliegenlarven, Bierhefe oder Sojaprotein ist diese Therapieform ebenfalls ungeeignet.

Im Allgemeinen ist das Débridement mit medizinischen Fliegenlarven eine schmerzarme Therapie. Dennoch können vereinzelt Schmerzen auftreten. Es konnte noch nicht zufriedenstellend geklärt werden, ob diese Schmerzen durch die Bewegungen der Larven im Wundbett entstehen oder auf Veränderungen des ph-Wertes zurückzuführen sind.

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